THESENPAPIER | Online-Pressegespräch


Wissenschaft und Unternehmen fordern: „Mehr Vielfalt in der Wirtschaft! Statt zweiter Abwrackprämie Förderprogramme mit Nachhaltigkeit verbinden!“

Beispiel Tchibo zeigt, wie Wandel funktioniert

 


In einer gemeinsamen Erklärung sprechen sich Prof. Dr. Florian Lüdeke-Freund, Professor für unternehmerische Nachhaltigkeit an der ESCP Business School Berlin, und Prof. Dr. Dr. hc. Stefan Schaltegger, Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg und Leiter des Centre for Sustainability Management (CSM), gegen konventionelle Wirtschaftsförderung nach der Corona-Pandemie aus. Die Nachhaltigkeitsexperten plädieren dafür, die Vielfalt an Geschäftsmodellen zu fördern und zu nutzen, um damit die notwendigen nachhaltigen Transformationsprozesse auf Unternehmensebene voranzutreiben.

Gemeinsam haben sie fünf Thesen formuliert, wie Nachhaltigkeit und Vielfalt die Wirtschaft resilienter gegenüber Krisen macht

•    Konsumanreize sollten nachhaltigen Konsum und somit nachhaltige Geschäftsmodelle in verschiedenen Branchen fördern. Dafür gilt es, Branchen und Unternehmen zu unterstützen, die den Übergang in eine nachhaltige Wirtschaftsweise voranbringen. Eine zweite „Abwrackprämie“ für die Automobilindustrie – die in der Vergangenheit irreführend als „Umweltprämie“ bezeichnet wurde – zementiert hingegen nicht nachhaltige Konsum- und Wirtschaftsstrukturen. Die sinnvolle Alternative: ein allgemeingültiger „grüner“ Konsumgutschein oder eine direkte Förderung nachhaltiger Konsumenten*innen

•    Die Nachhaltigkeit als Geschäftszweck sollte neben unternehmerischen Kennzahlen und Branchenzugehörigkeit wesentliches Förderkriterium sein. Fördermaßnahmen sollten nicht nur rasch, sondern auch zweckgebunden umgesetzt werden. Es darf nicht nur um die Unterstützung von Industriezweigen mit vielen Arbeitsplätzen wie die Automobilindustrie gehen. Soziale Geschäftsmodelle sind ebenso wesentlicher Teil unserer Gesellschaft. Sie müssen sicht- und förderbar sein.

•    Der Einsatz öffentlicher Mittel sollte nicht nur der Wiederbelebung der Wirtschaft dienen, sondern auch ihrer zukunftsfähigen (Neu-)Gestaltung. Neue Prinzipien wie „Stakeholder-Orientierung“ und „nachhaltige Wertschöpfung“, wie sie etwa das World Economic Forum fordert, können Innovationsschübe auslösen und gehören somit in die Kriterienkataloge von Hilfs- und Förderprogrammen.

•    Die lokale Mobilisierung von Arbeitskräften sollte ein zentrales Prinzip der Unternehmensförderung sein. Die teilweise „Re-Lokalisierung“ von Produktion und Produktionsmitteln ist wesentlicher Bestandteil nachhaltiger Geschäftsmodelle. Folgen z.B. Industrieunternehmen dem Leitbild der „Circular Economy“, werden materielle Ressourcen schrittweise durch menschliche Arbeitsleistung und Serviceangebote ersetzt. In der Landwirtschaft bedeutet dies, lokale Ressourcen und Arbeitskräfte einzusetzen.

•    Die aktuelle virale Epidemie zeigt, welche Geschäftsmodelle besonders robust und anpassungsfähig sind. Vor allem Digitalkonzerne sind die Krisengewinner. Aufgabe von Politik und Wissenschaft ist es, herauszufinden, wie diese Geschäftsmodelle mit Beiträgen zu einer resilienten und nachhaltigen Wirtschaft vereinbar sind. Förderprogramme für nachhaltige Digitalunternehmen müssen dringend aufgelegt werden.


Thesenpapier: Nachhaltige Geschäftsmodelle führen zu verbesserter Resilienz der Wirtschaft
>> download


Statement Prof. Dr. Florian Lüdeke-Freund, Professor für unternehmerische Nachhaltigkeit an der ESCP Business School Berlin:
„Unternehmen müssen das Rad nicht neu erfinden und sollten den nachhaltigen Transformationsprozess als Chance sehen. Es gibt vielfältige nachhaltige Geschäftsmodelle, die sich nachahmen lassen.“

Statement Prof. Dr. Dr. hc. Stefan Schaltegger, Leiter Centre for Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg
„Dienstleistungen, die auf der Nutzung von Produkten durch mehrere Personen aufbauen, können vor Ort oder digital angeboten werden. Dies kann nicht nur den Ressourcenverbrauch reduzieren, sondern auch die Abhängigkeit von globalen Lieferketten, die in der Corona-Krise viele Firmen vor massive Probleme stellt.“
 
Statement Nanda Bergstein, Director Corporate Responsibility für den Bereich Unternehmensverantwortung bei der Tchibo GmbH
„Die sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Lebens- und Wirtschaftsweise bleiben sehr groß. Business as usual reicht nicht mehr aus. Es braucht neue Lösungen und ein Umdenken mit Blick auf Geschäftsverhalten und Konsum.“

 

Hintergrundinformationen | Die ExpertenInnen

Die Wissenschaftler forschen seit Jahren zu nachhaltigen Geschäftsmodellen, die den Dreiklang aus Ökologie, Ökonomie und Sozialem leben. Sie verweisen auf eine Reihe von Best Practice-Beispielen, die in Schieflage geratene Unternehmen motivieren können, ihre eigenen nachhaltigen Transformationsprozesse zu initiieren.
 

Prof. Dr. Florian Lüdeke-Freund, Professor für unternehmerische Nachhaltigkeit an der ESCP Business School Berlin und Gründer des Forschungsblogs www.SustainableBusinessModel.org 

Prof. Dr. Florian Lüdeke-Freund ist Professor für unternehmerische Nachhaltigkeit an der ESCP Business School Berlin. Seit 2018 leitet er den Master in Sustainability Entrepreneurship and Innovation, ist Mitglied des SustBusy Research Center und des Nachhaltigkeitsbeirats der ESCP Berlin. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind nachhaltiges Unternehmertum, Nachhaltigkeitsinnovationen und Geschäftsmodelle. Im Herbst 2020 erscheint sein neues Buch „Sustainable Business Model Design“ (zusammen mit Henning Breuer und Lorenzo Massa), das sich der Vielfalt nachhaltiger Geschäftsmodelle widmet. www.escp.eu/berlin/berlin-academic-chairs/chair-corporate-sustainability

 

Prof. Dr. Dr. hc. Stefan Schaltegger, Leiter Centre for Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg

Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Schaltegger ist Professor für Nachhaltigkeitsmanagement an der Leuphana Universität Lüneburg. Er leitet das Centre for Sustainability Management (CSM) und hat 2003 den weltweit ersten MBA Sustainability Management eingeführt. Im Bereich des unternehmerischen Nachhaltigkeitsmanagements forscht er unter anderem zu nachhaltigen Geschäftsmodellen, nachhaltigem Unternehmertum, Messung und Management von Nachhaltigkeitsleistung, Stakeholder-Beziehungen sowie zur operativen Umsetzung unternehmerischer Nachhaltigkeit.


Nanda Bergstein, Director Corporate Responsibility für den Bereich Unternehmensverantwortung bei der Tchibo GmbH

Nanda Bergstein ist seit 2018 als Director Corporate Responsibility für den Bereich Unternehmensverantwortung bei der Tchibo GmbH verantwortlich. Nach ihrem Studium der Internationalen Beziehungen an der TU Dresden und „Gender, Development and Globalisation“ an der London School of Economics (LSE) startete sie 2005 ihre berufliche Karriere bei der Hamburger Nachhaltigkeitsberatung Systain. 2007 wechselte sie in den Bereich Unternehmensverantwortung bei Tchibo, wo sie die Menschenrechtssparte aufbaute. Von 2011 bis 2017 etablierte Frau Bergstein im Geschäftsbereich Non Food gemeinsam mit ihrem Team das Non Food Nachhaltigkeitsmanagement vom Rohstoff bis zum Endprodukt.

Heute verantwortet Frau Bergstein mit dem Bereich CR die Unternehmenstransformation in Richtung einer 100 % nachhaltigen Geschäftstätigkeit. Ihre persönlichen Schwerpunkte liegen auf Menschenrechten und Umweltschutz entlang aller Tchibo Wertschöpfungsketten und Produkte – Kaffee und Gebrauchsartikel. Ein wichtiger Fokus ihrer Arbeit ist dabei die Skalierung von Nachhaltigkeit über Sektorinitiativen und systemische Ansätze sowie die Entwicklung von Innovationen für einen nachhaltigeren Konsum, wie z. B. Tchibo Share.